Aktion  Kanzlers Hofnarr

 "Warum nicht?"

 
 
Spectaculum-Schauspieler Hajo Dreyfuß reicht Bewerbung in Berlin ein
   Foto Hajo Dreyfuß
Schauspieler von Beruf, Narr aus Berufung: Hajo Dreyfuß.
Bückeburg. Auf dem Mittelalterlich Spectaculum gibt er stets den eselsohrigen Schelm mit dem unverwechselbaren Schellenstab, der auf hintergründige, aber nie böswillige Art mit den Besuchern Schabernack treibt. Aber Hajo Dreyfuß, Schauspieler von Beruf und Narr aus Berufung, möchte hoch hinaus: Ganz offiziell hat sich der 45-Jährige jetzt für das noch zu schaffende Amt des Hofnarren beim Bundeskanzleramt beworben. Auch wenn dies nur nach einer weiteren Narretei des Publikumslieblings beim Bückeburger Spectaculum klingen mag – seine Bewerbung hat Hajo Dreyfuß höchst professionell an das Bundeskanzleramt gerichtet und sicherheitshalber gleich zahlreichen regionalen und überregionalen Medien zur Mitkenntnis gegeben.
"Hiermit bitte ich Sie, das hierzulande unbesetzte Amt des Hofnarren in Form eines besonderen Referenten des Bundeskanzlers schnellstmöglich einzurichten", schrieb der 45-jährige Münsterländer nach Berlin. Angesichts der derzeitigen politischen Lage sei ein solcher Posten nötiger denn je: Die Staatskosten so mancher kapitalen Blamage, so Dreyfuß, hätten durch ein bissiges Bonmot zur rechten Zeit noch auf einem herzhaften Gelächter gehalten werden können. Die Tätigkeit eines Narren im Kreise hoher Entscheidungsträger sei überdies deren Bodenhaftung förderlich und wirke der "Betriebsblindheit auf hohem Niveau" entgegen.
Angesichts der politischen Entwicklung, besonders bei den Sozialreformen, empfinde sich ein immer größerer Teil der Bevölkerung als ohnmächtig gegenüber den Entscheidungen. Auch (und gerade) hier böte die Figur des klassischen Hofnarren als "Stimme der Machtlosen" ein bislang ungenutztes Ventil. Keinesfalls, so Dreyfuß, gehe es ihm darum, die Person des Bundeskanzlers anzugreifen: "Des Hofnarren öffentlicher Spott trifft alles und jeden – nur nicht seinen Herrn."
"... und für seine Nachfolgerin auch"
Kanzler-Bashing liege ihm fern: "Ich will für den Mann arbeiten. Und für seine zu erwartende Nachfolgerin auch." Außerdem sehe er seine Bewerbung gar nicht persönlich, sondern als Angebot zur Bereicherung der politischen Landschaft: "Die Globalisierung schafft für einen Hofnarren ein Feld, das erst einmal beackert sein will." Insgesamt seien die politischen und wirtschaftlichen Strukturen der letzten 20 bis 30 Jahre auf eine Art gewachsen, dass sie das Amt eines Hofnarren wieder notwendig machen: "Die jüngste Geschichte schreit geradezu nach dieser Ergänzung."
Während mehrere Magazine aus der Mittelalter-Szene bereits über die Bewerbung berichteten, liegt eine offizielle Reaktion des Bundeskanzleramtes noch nicht vor. Und so ganz sicher scheint sich Hajo Dreyfuß über den Erfolg seiner Offerte auch noch nicht zu sein: Seine Bewerbung für das Mittelalterlich Spectaculum 2005 in Bückeburg hat der Münsteraner jedenfalls auch schon geschrieben.

 
Landes-Zeitung
2. August 2004
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Text   Johannes
Pietsch
& Bild: