Ansichten eines  fast  normalen Bürgers
Ein Hirnlüftchen von hajo. Dreyfuß

Thronfolge

Dreyfuß als Bundespräsident?

16. Januar 2012: Die Staatsanwaltschaft bläst ein mächtig Halali auf den Bundespräsidenten. Beantragt die Aufhebung der Immunität des höchsten deutschen Obertans aufgrund eines Anfangsverdachts auf "Vorteilsannahme bzw. Vorteilsgewährung" (im Volksmund als "Korruption" bekannt). 17. Januar: Des Jagdhorns Schall erreicht die Medien. Es scheint, als stünde das Land binnen zweier Jaher vor einem zweiten Interregnum; Es scheint, als stünde des Präsidenten Thron bald leer. Steht die Untrigkeit (das Volk) in solch schicksalhafter Stunde zu seinem Obertan? Weit gefehlt. "Na endlich," höre ich manche sagen, "der Mann ist ja nur noch peinlich."

Die Nachricht vom Halali ist noch keine zwei Stunden alt, da wird dem Narren die Kaiserkrone angetragen. Ausgerechnet ich werde gefragt, ob ich mich vielleicht für das Amt des Bundespräsidenten zur Verfügung stellen möchte.

Bundespräsid-was? Hey, ich bin ein Esel, keine Ente! Und auch kein Ent. Repräsentant des ganzen deutschen Volkes? Ich?

Wieso nicht Georg Schramm? Der ist ein Ausbund an Vernunft und Glaubwürdigkeit, ist sozial kompetent, kann sich ausdrücken, hat Charisma und ist reichlicher mit Zentimetern für eine Statue zum Aufschauen gesegnet (bei mir geht der Trend ja eher zum Draufschauen). Der hat sogar mal öffentlich gesagt, er würde kandidieren, wenn ihn jemand nominieren würde. – Wie? Ach so. Ja. Stimmt. Das W-Wort. "Würde". Ein Mensch dieses Kalibers könnte dem Amt zu echter Würde verhelfen. Ein eher umgekehrtes Verhältnis wäre weit öfter vermutet worden, wenn es dafür nicht gleich eins mit § 90 StGB auf die Schna…– sorry, den Schnabel gäbe. Daher begnügt sich die Geschichtsschreibung mit ausdrücklichem Lob der wenigen Auserwählten unter den Berufenen. – Ja, das sehe ich ein: Schramm wäre vielleicht etwas zu gut für uns. Der könnte als Bundespräsident zwar so wenig ändern wie als Kabarettist, aber er würde wohl manches sichtbar machen, was bislang eher diskret behandelt wird. Dem wäre sogar zuzutrauen, selbst in einem politischen Amt noch ehrlich zu bleiben. So gesehen, haben wir den eigentlich nicht wirklich verdient. Aber muss man denn dann gleich am unteren Ende dieser Fahnenstange buddeln und ausgerechnet mich fragen?

Hmmm. Also, wenn ich schon direkt gefragt werde, dann schmeichelt mir das ja schon. Daher denke ich zumindest mal drüber nach. Am besten laut, damit ich höre, was ich denke.

Immerhin habe ich mich ja schon ein paar mal als Narr des Kanzleramtes beworben. Das glatte Parkett der Politik schreckt mich also nicht. Warum auch? Wenn's dem Esel zu gut geht, tanzt er bekanntlich auf dem Eis. Das übt ungemein. Andererseits hatte ich mich wohlbedacht bei Gerhard (dem Großartigen) und auch bei Angela (der Argumentativen) beworben – haargenau dort, wo in der Politik das Zentrum der Macht ist: im inoffiziellen Thronsaal der Republik. Den gesalbten Häuptern war indes keine offizielle Kenntnisnahme zu entlocken, und das war wohl auch gut so.

Unser Staatsoberköpfchen hingegen führt ein Dasein als Symbol. Der darf Hände schütteln und Besuche mit Seinesgleichen austauschen, darf Paraden zuwinken, ja, er darf sogar zum Volke sprechen (ähm, also, moralisch aufbauende Reden vom Teleprompter vorlesen), und bestenfalls – ganz selten, und nur ausnahmsweise – darf er sogar mal eine Unterschrift verweigern, wenn ein neues Gesetz mal ganz offensichtlich verfassungswidrig wäre. That's it - Das war's. Für solches Verströmen symbolischer Strahlkraft gibt es sogar satt Zaster, und das in einer Größenordnung, die selbst Brosamen reizvoll macht. Und die Lukullitäten zu offiziellen Empfängen sind sicherlich schmackhafter als Ravioli aus der Dose. Trotzdem habe ich mich nicht im schönen Schloss Bellevue beworben, denn ein Narr gehört auf die Fußbank von Könginnen (bzw. Königinnerichen). Den Mächtigen hat er den Spiegel vorzuhalten, nicht den Symbolen.

Was wäre wohl, wäre mir damals – ersatzweise – der symbolische Posten des Präsidenten-Narren angeboten worden? Narr, der ich bin, wäre mir zuzutrauen, der Verlockung (leckere Buffets, adrettes Cateringpersonal, wenig Arbeit, viel Ehre) zu erliegen, um mindestens eine Amtszeit lang "meine" standesgemäß symbolische Rede aschermittwochs vom Teleprompter abzulesen.

Hätte ich diesen Posten als Präsidial-Narr also – teoretisch – längst inne, dann...

Dann müsste ich jetzt wohl flink meine Ansprache umschreiben, ein paar passende Worte zum Thema "Herrchen" müssten wohl doch mal sein. … Quatsch.

Dann hätte ich natürlich meinem Chef und Obertan schon längst vorgeschlagen, wie er den hochwohlgeschorenen Kopf ganz flott aus der Schlinge bekäme: Einfach mit dem Narren die Hütchen tauschen.
Applaus wäre dem Vorschlag gewiss. Und wer weiß? Nach dem, was die "Kleinen Leute auf der Straße" dem Manne noch bestenfalls zutrauen, würde der vielleicht sogar eingewilligt haben. Und womöglich hätte sich die TITANIC (wir erinnern uns noch gerne des Titels zum Thema: "Warum nicht mal ein Flittchen?") spontan zum neuen Hofblatt anerboten.

Dann hättet ihr jetzt den Salat. Ihr alle. (Alle außer mir, der ja nun den symbolisch gekrönten Schädel in der Schlinge hätte.) Ihr hättet einen ausgemachten Narren und Galgenstrick zum Stellvertreter dieses unseres Landes.

Nun werden einige Leute einwenden: "Na und? Einen Hanswurst hatten wir ja gerade. Was macht's?" Nun, für diese Leute macht das wohl keinen Unterschied. Aber hätten nicht auch diese Leute Besseres verdient als Dasselbe noch mal? Und schließlich macht es etwas wirklich Wichtiges: Es macht's sichtbar.

Und wahrlich, ich sage euch: Es macht einen gewaltigen Unterschied, ob "Kleine Leute auf der Straße" munkeln: "Wir haben einen Narren zum Staatsoberhaupt" – oder ob das alle Welt direkt auf die Nase gebunden bekommt.

Und deshalb habe ich dankend abgelehnt.
Und auf Herrn Schramm verwiesen.

Diesen versehentlichen Anflug von Vernunft hatte ich morgens um halb zehn. Exakt 95 Minuten bevor Herr Christian Wulff von seinen Ämtern zurücktrat. Gerade noch rechtzeitig. – Man vergebe mir: Die fünfte Jahreszeit steht gerade kurz vor ihrem Höhepunkt; Wo alle Welt närrisch ist, da darf der Narr auch ausnahmsweise mal verständig sein. (Is ja bald vorbei.)

So. Der Wolf ist erlegt, um den Balg mag sich nun streiten wer will. An Hyänen herrscht kein Mangel. Und dieser Narr hier ist gespannt, was wohl in zwei Monaten durch's Dorf getrieben wird.

 

P.S.:
Sollte die nächste Präsidenten-Wahl allerdings ergeben, dass die (nun zum dritten male zitierten) "Kleinen Leute auf der Straße" eher eine "Enten-Wahl" erschauen und auch den neuen Oberschopf in die Kategorie meiner Profession einordnen… – dann würde ich mich doch berufen fühlen. Wo Hanswurst und Kasper hausen dürfen, da wird auch ein Narr mal satt. Dann würde ich auf den Vorschlag zurückkommen und mich auch um das Hohe Amt bewerben.

Also, liebe Leute: Gebt gut Acht, was Ihr über Euren Staatsoberhäuptling sagt…

Februar 2o12