Ansichten eines  fast  normalen Bürgers
Ein Hirnlüftchen von hajo. Dreyfuß
Friedrich Herlin, Beschneidung Jesu (15. Jhd., Bild-Ausschnitt).
   
Das neue Jahr,
der Papst
...
und die Frauen
 
Albrecht Dürer, Betende Maria

Der 1. Januar ist das Fest der Beschneidung des Herrn (in circumcisione domini). Noch vor 50 Jahren begründete dies den Feiertag, zuweilen gab es Martin Luthers Predigt dazu im Original, und noch vor 25 Jahren wurde die Reliquie der Heiligen Vorhaut öffentlich gezeigt. Das alles ist passé. Inzwischen beginnt das Jahr für Katholiken mit einem - weiteren - Marienfest, in jüngster Zeit zudem einem - weiteren - Weltfriedenstag. "Alles Gute im neuen Jahr!" - "Danke, Ihnen auch. Und Weltfrieden." Und den Menschen ein Wohlgefallen. – Mal ehrlich: Das bleibt an Würze deutlich hinter dem Original zurück.

Was bleibt, ist die traditionelle Volksbeträufelung mit segensreichen Grußworten aus aller berufenen Obertanen Mund und Feder, bei denen ohnehin meist auch irgendwas von Frieden vorkommt. Derlei ertragen die meisten Leute so gelassen wie einen Regenschauer: Erstens muß man sich dem nicht aussetzen, und zweitens ist es ja auch bald vorüber.

So findet denn auch die Botschaft des Papstes "Der Mensch - Herz des Friedens" nicht überall Beachtung. Das ist schon ein stückweit schade, denn der Heilige Vater hat sich dem ganzen komplexen Themengebiet in liebevoll gründlicher Mühe gewidmet. In die wohlgesetzten Worte ist so mancher kleine Schatz eingewoben.

Von den vielen Perlen sei – stellvertretend – diese eine hier geborgen.

Die naturgegebene Gleichheit aller Menschen
[...] Auch die unzureichende Beachtung der Lage der Frau bringt in das soziale Gleichgewicht Faktoren der Unbeständigkeit hinein. Ich denke an die Ausbeutung von Frauen, die wie Objekte behandelt werden, und an die vielen Formen mangelnder Achtung vor ihrer Würde; ich denke auch – in anderem Zusammenhang – an die in einigen Kulturen fortdauernden anthropologischen Vorstellungen, die der Frau eine Stellung zuweisen, die sie in starkem Maße der Willkür des Mannes unterwirft, mit Konsequenzen, die die Würde ihrer Person verletzten und die Inanspruchnahme ihrer grundlegenden Freiheiten beschneiden. Man darf sich nicht der Illusion hingeben, dass der Friede gesichert sei, solange nicht auch diese Formen der Diskriminierung überwunden sind, welche die jedem Menschen vom Schöpfer verliehene persönliche Würde verletzen.(5)

Das sagt ausgerechnet einer, der Frauen in der eigenen Firma keine Karriere gestattet.

Für jene, die das entsprechende Schreiben aus Rom gerade verlegt haben, sei hier an ein paar Highlights erinnert.

Apropos "fortdauernde anthropologische Vorstellungen":

Eine Durchsicht dieser grundlegenden Texte macht es möglich, einige Kernaussagen der biblischen Anthropologie zu bekräftigen.
»Die Geschlechtlichkeit kennzeichnet Mann und Frau nicht nur auf der physischen, sondern auch auf der psychologischen und geistigen Ebene und prägt alle ihre Ausdrucksweisen«. Sie kann nicht auf einen unbedeutenden biologischen Aspekt reduziert werden, sondern »ist eine grundlegende Komponente der Persönlichkeit; [..]
Diese anthropologische Dimension der Geschlechtlichkeit kann nicht von der theologischen Dimension getrennt werden.
Mannsein und Frausein sind so als ontologisch zur Schöpfung gehörend offenbart und deshalb dazu bestimmt, über die gegenwärtige Zeit hinaus Bestand zu haben [..]
Mann und Frau sind von Beginn der Schöpfung an unterschieden und bleiben es in alle Ewigkeit.

Nachdem das geklärt wäre, erläutert ein echter Frauenversteher den "kleinen Unterschied" ...

Trotz der Tatsache, dass eine gewisse Strömung des Feminismus Ansprüche »für sie selber« einfordert, bewahrt die Frau doch die tiefgründige Intuition, dass das Beste ihres Lebens darin besteht, sich für das Wohl des anderen einzusetzen, für sein Wachstum, für seinen Schutz.
 In Prosa: Eigentlich möchte jede Frau gerne Gattin und Mutter sein.

Die gelebte oder potentielle Fähigkeit zur Mutterschaft ist eine Wirklichkeit, die die weibliche Persönlichkeit zutiefst prägt. Sie hilft ihr, sehr schnell Reife, Sinn für die Bedeutung des Lebens und die damit verbundene Verantwortung zu erlangen. Sie entfaltet in ihr den Sinn und die Ehrfurcht gegenüber dem Konkreten, das sich den Abstraktionen entgegenstellt
 Will sagen: Der Mann denkt – aber Mama tut das richtige.

Auch wenn die Mutterschaft eine zentrale Bedeutung für die weibliche Identität hat, ist es aber nicht richtig, die Frau nur unter dem Aspekt der biologischen Fortpflanzung zu sehen.
 Eben. Es gibt ja noch das heilige Sakrament der Ehe:

Die christlichen Eheleute, die in das Paschamysterium eingetaucht und zu lebendigen Zeichen der Liebe Christi und der Kirche gemacht wurden, sind in ihrem Herzen erneuert. Sie können die Beziehungen meiden, die von der Begierde und der Tendenz, den anderen zu beherrschen, geprägt sind, welche der Bruch mit Gott durch die Sünde im ersten Menschenpaar hinterlassen hatte. [...] In das Paschamysterium Christi eingefügt, erfahren sie ihre Verschiedenheit nicht mehr als Ursache von Uneinigkeit, die durch Leugnung oder Einebnung überwunden werden müsste, sondern als Möglichkeit zur Zusammenarbeit, die in der gegenseitigen Achtung der Verschiedenheit zu verwirklichen ist. Von hier aus eröffnen sich neue Perspektiven für ein tieferes Verständnis der Würde der Frau und ihrer Rolle in der menschlichen Gesellschaft und in der Kirche.
 Bevor wir aber erfahren, was Mutti denn nun eigentlich darf und soll, ein paar mahnende Worte...

Jede Perspektive, die sich als Kampf der Geschlechter ausgeben möchte, ist nur Illusion und Gefahr: Sie würde in Situationen der Abkapselung und der Rivalität zwischen Männern und Frauen enden und eine Ichbezogenheit fördern, die von einem falschen Freiheitsverständnis genährt wird.
Unbeschadet der Bemühungen zur Förderung der Rechte, welche die Frauen in der Gesellschaft und in der Familie anstreben, wollen diese Anmerkungen eine Perspektive korrigieren, in der die Männer als Feinde betrachtet werden, die zu besiegen wären. Die Beziehung zwischen Mann und Frau kann ihre gerechte Ordnung nicht in einer Art misstrauischer, defensiver Gegnerschaft finden. Es ist notwendig, dass diese Beziehung im Frieden und im Glück der ungeteilten Liebe gelebt wird.

... und hier kommen wir zu wunderschönen Platz-Zuweisungen:

Dies beinhaltet vor allem, dass die Frauen aktiv und auch fest in der Familie, »der anfänglichen und in gewissem Sinn ”souveränen“ Gesellschaft«, gegenwärtig sein sollen.
 Übersetzt: Mami ist erst einmal für Gemahl und Klindlein da...

Dies beinhaltet darüber hinaus, dass die Frauen in der Welt der Arbeit und des gesellschaftlichen Lebens gegenwärtig sein und zu verantwortungsvollen Stellen Zugang haben sollen, die ihnen die Möglichkeit bieten, die Politik der Völker zu inspirieren und neue Lösungen für die wirtschaftlichen und sozialen Probleme anzuregen.
 ... zusätzlich darf sie dann auch außer Haus sanft inspirieren und anregen. Nicht etwa einen leitenden Posten einnehmen und Strategien durchsetzen, denn das könnte ja Rivalität mit Männern provozieren. Und überhaupt, immer hübsch in Grenzen:

Man darf aber in diesem Zusammenhang nicht vergessen, dass die Überschneidung von zwei Tätigkeiten — Familie und Arbeit — bei der Frau andere Merkmale annimmt als beim Mann.
 Der "kleine Underschied": Haushalt, Wäsche, Kochen...

Vor noch gar nicht so langer Zeit galten in diesem unserem Lande für Frauen "Die drei großen 'K's": Kinder, Küche, Kirche. Und sonst garnix. Die ersten beiden hatten wir schon. Und siehe, der hier zitierte Kenner bietet auch fur den Klerus eine Perspektive:

In dieser Hinsicht ist Maria in der Kirche der grundlegende Bezugspunkt.
 Ja: DIE Maria. Die Heilige Jungfrau. Die Gottesmutter. Maria eben.

Maria und ihre Haltungen des Hörens, des Aufnehmens, der Demut, der Treue, des Lobpreises und der Erwartung
 Eigentlich sonnenklar, denn schließlich ...

... zeichnet sich die Frau dadurch aus, dass sie diese Haltungen mit besonderer Intensität und Natürlichkeit lebt.
 Und zwar eigentlich ausnahmslos jede. Es sei denn, sie hätte gerade falsche Vorstellungen von Freiheit oder wäre derzeit anderweitig auf dem Irrweg. Dann müßte sie ...
... sich bekehren lassen und die einzigartigen, in der Liebe zum anderen so wirksamen Werte anerkennen, deren Trägerin sie als Frau ist.

 Folglich sind Frauen in der Gemeinde...
... berufen, unersetzliche Vorbilder und Zeugen dafür zu sein, wie die Kirche als Braut mit Liebe auf die Liebe des Bräutigams antworten muss.
 Nämlich ...
...im demütigen, liebenden Gehorsam, mit dem die Kirche zum Vater sagen kann: »Mir geschehe, wie du es gesagt hast«

 Die Frage, ob außer dieser Herzmitte des christlichen Lebens noch Chancen für ein viertes 'K' (wie Karriere) bleiben, dürfte sich damit eigentlich erübrigen. Daher genügt ein Halbsatz mit dem lapidaren Hinweis auf ...
die Tatsache, dass die Priesterweihe ausschließlich Männern vorbehalten ist
 Und damit auch der Weg in echte Macht- und Führungspositionen.

Diese weihevollen Worte über Wesen, Wert und Würde – sowie die gottgewollte Bestimmung – der Frau verfaßte am Festtag Mariä Heimsuchung (31. Mai) 2004 der damalige Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre, ein gewisser Joseph Card. Ratzinger

Bei näherer Betrachtung ist die Versuchung nicht gering, in diesem Schreiben deutliche Spuren von "fortgesetzten anthropologischen Vorstellungen" zu erblicken, "die der Frau eine Stellung zuweisen, die sie in starkem Maße der Willkür des Mannes unterwirft", beispielsweise
 • einschränkende Definition von "Weiblichkeit",
 • Zuordnung ausschließlich dienender gesellschaftlicher Position,
 • verwehrte Chancen auf Teilhabe an Verantwortung und Macht.
Insofern ließen sich allein in diesem einen Schreiben aus dem Hause Petri schon mehrere von "vielen Formen mangelnder Achtung vor ihrer Würde" sehen.

Umso erfreulicher erscheint es, wenn der papstgewordene Kardinal nun im Interesse des Weltfriedens und umfassender Gerechtigteit dazu aufruft, "auch diese Formen der Diskriminierung" zu überwinden, "welche die jedem Menschen vom Schöpfer verliehene persönliche Würde verletzen.(5)"

Es könnte bedeuten, daß sich der Heilige Vater an die eigene Heilige Nase faßt.

Dem ist natürlich nicht so.

Aufmerksame Augen sehen ausgerechnet bei diesem erfreulichen Abschnitt auch den unscheinbaren Verweis auf eine kleine Fußnote. Und diese wiederum verweist zielgenau auf das oben genüßlich zitierte Schreiben. Genauer gesagt, auf die Abschnitte mit Maria und dem Priesteramt. Will sagen: "Fragt gar nicht erst. Das gilt weiterhin."

Und damit bleibt alles wie gehabt. "Die naturgegebene Gleichheit aller Menschen" findet beim Geschlecht derselben ihre spezielle Anwendung. Das gleiche ist eben nicht das selbe. Was "in der Welt" beklagenswerte Diskriminierung wäre, das ist im eigenen Hause schlicht Gottes Wille, ganz frei von "einem falschen Freiheitsverständnis". Die "Lage der Frau" bleibe weiterhin brav unter dem Manne, ihre Stellung sei demütig. Dann klappt's auch mit der Missionars-Stellung.

Insofern ist die Neujahrsansprache des Heiligen Vaters wenig anders als die anderer Obertanen: Wer weiß, von wem's kommt, kann ungefähr abschätzen, daß außer Erklärungen des eigenen Standpunktes und ein paar frommen Wünschen kaum Neues zu erwarten ist. Wer sich solche Reden schenkt, verpaßt meist nicht viel.

Es ist auch weder neu noch überraschend, daß die christlichen Kirchen (in Konkurrenz zum vermeintlich starken Islam) dazu übergegangen sind, ihre Positionen genauer zu definieren und gegen Aufweichungen abzugrenzen. Die Bewegung der Öffnung, die das Zweite Vatikanische Konzil versehentlich ausgelöst hatte, wird systematisch zum Stillstand gebracht. Aus Selbstreflektion und Dialog wird endlich wieder scholastische Nabelschau und Mission. Den Ablaß gibt es auch wieder. Getreu dem Motto: "Nur was unverändert bleibt, hat Bestand" erstarrt ja nicht nur die katholische Kirche zu fundamentalem Dogma. Und wo der Eifer groß ist, da wird aus Abgrenzung eben Ausgrenzung. Und aus respektvoller Achtung des Anderen wird Intoleranz. Also gute alte Kirchentraditon. Wie auch die Neujahrsreden.

Was von alledem bleibt? Hoffnung.

Irgendwann wird auch die Heilige Vorhaut wieder durch die Straßen getragen werden.

Januar oo7