Ansichten eines  fast  normalen Bürgers
Victor Hugbald im Gespräch mit hajo. Dreyfuß
   
Wahlen 2002/03
 
Die Wahlen zum Bundestag im September 2002 und die zu Landtagen im Februar 2003 bescherten der alten Regierung eine hauchdünne Mehrheit* im Bundestag, absehbare Schwierigkeiten im Bundesrat, und uns einen durchgehenden Wahlkampf.
VH :Na, wen hast Du gewählt?
hajo. :Das werde ich Dir immer noch nicht sagen. Aber ich würde gerne erzählen, was mir in all dem Trubel so aufgefallen ist.
VH :Eine Glosse also? (seufzt)   Wenn's denn sein muß... Nur zu.
hajo. :Wahlkampf ist Show-Busines: Bestenfalls zeigt man sich selbst dabei von der besten Seite, und wer ein populäres Programm zu bieten hat, riskiert zuweilen auch mal den Vergleich mit dem politischen Gegner. Eher unfein ist es, die andere Seite zu schelten, ohne eine brauchbare Alternative zu bieten. Und wer unterschwellige Ängste schürt, verläßt den Boden jeglichen Stils.
 Seit dem frühen Beginn des Wahlkampfes ist mir (inzwischen ein gutes halbes Jahr lang) die CDU/CSU immer wieder aufgefallen:
 Noch im Vor-Wahlkampf hatte sie verkündet, den längst fälligen Ausstieg aus der Kernenergie wieder rückgängig machen zu wollen. Und das, obwohl niemand einen wirklich sicheren Ort für den Atom-Müll weiß, der noch in einigen hundert Jahren lebensbedrohlich strahlen wird. Derlei halte ich schlicht für verantwortungslos.
 Zur selben Zeit kündigte der Kanzlerkandidat an, im Falle seines Wahlsieges das eben erst beschlossene Zuwanderungsgesetz für Ausländer in ein "Zuwanderungs-Begrenzungs-Gesetz" umzuwandeln. Kein Wort davon, daß das Gesetz ja eigentlich bereits (unter anderem) auch eben diesem Zweck dient. In Zeiten hoher Arbeitslosigkeit und sinkender Netto-Einkommen zielt solch ein verbaler Vorstoß in meinen Augen direkt auf die Angst einfacher Bürger um ihren Arbeitsplatz.
 In der "heißen Phase" des Wahlkampfes dann hatte die Union einen Stil gefunden, den ich durchaus bemerkenswert finde. Das Motto schien mir dies zu sein: "Bewirf den Gegner emsig mit Dreck. Etwas wird schon hängen bleiben."
 Bei der Bundestagswahl war es die stereotype Wiederholung des Vorwurfs, einzig die SPD sei an der hohen Arbeitslosigkeit schuld. Nicht, daß man eigene gute Vorschläge zur Lösung des Problems vorstellte. Der Vorwurf genügte. Erst lange Monate der Wahl gab es mit dem "Apell gegen die Mutlosigkeit" einen ungefähren Zehn-Punkte-Plan, über den in den Medien allerdings nicht viel (oder gar lange) berichtet wurde.
 Nach der hauchdünnen Wahlniederlage wurde die Zeit bis zum erlaubten Wahlkampf zu den Landtagswahlen im Stil schlechter Verlierer mit dem Vorwurf des "Wahlbetruges" gefüllt: Der Finanzminister habe die Zahlen geschönt. Mit der naheliegenden Frage, ob eigene Finanzminister in vergleichbaren Situationen womöglich schon mal Vergleichbares getan hätten (und dies im Wahlkampf vielleicht als "geschäftsüblich" zu betrachten sei), sollte sich der eigens angestrengte Untersuchungsauschuß aber bitte keineswegs befassen.
 Ergänzt wurde dieser Reigen um den steten Vorwurf, die SPD hätte just das marode Sozial-Versicherungs-System nicht in vier Jahren saniert, das man selbst zuvor sechzehn Jahre lang nicht wirklich reformieren mochte. Daß die eigenen Vorschläge bis nach den Wahlen gehütet wurden, ist verständlich: Immerhin zielen die auf die Geldbeutel der Versicherten. Und denen ist es gleich, ob mehr Zaster für Beiträge, Zusatz-Versicherungen oder Eigen-Beteiligungen drauf geht.
 Nicht zu vergessen der Vorwurf an den Bundeskanzler, er habe gelogen, als er versprach, die Steuern nicht zu erhöhen. Wieweit er das halten kann, wird die Zeit zeigen. Aber das hatte ja ohnehin niemand ernsthaft geglaubt, erst recht nicht im Wahlkampf. Außerdem gab es da ja noch das Versprechen seines Amts-Vorgängers, nach der deutschen Wiedervereinigung würde es niemandem schlechter, aber allen besser gehen.
 Kurz: Anstelle ausgewogener Konzepte, brauchbarer Alternativen oder erwägenswerter Vorschläge glänzt diese Parteiengemeinde seit Juli 2002 durch unchristlichen Tonfall und heftige Angriffe.
VH : Nun gut. Das war vielleicht nicht eben die beste "Kür", die uns die Union da geboten hat. Aber jeder hat mal ein Formtief. Und außerdem war Wahlkampf, da sagt man so manches, was man nicht so meint. Du hast es doch selbst eben gesagt: Wahlkampf ist Show-Busines. Worüber ärgerst Du Dich da noch?
hajo. : Die Wahlen sind längst vorbei. Der Stil aber ist geblieben.
VH : Und wie wäre es an dieser Stelle mit christlicher Nächstenliebe und Vergebung Deinerseits, mein Lieber?
hajo. : Hmmm ...
Ich fürchte, Du hast recht.
VH : So schnell? - Da ist was faul.
hajo. : Daher mache ich ab heute mein Kreuzchen für die christlichen Parteien...
VH : (ungläubig)   Wie? Du wählst künftig CDU?
hajo. : ... dort, wo ich es schon längst hätte tun sollen:
Ich schließe sie in meine Fürbitten ein.
Februar 2003